IN ENGLISH, PLEASE! Immer wieder kommen Schüler in die Bibliothek, um ihre Englischhausaufgaben zu erledigen. Die sehen in der Regel so aus: Übersetze die Biographie von einer bekannten nicaraguanischen Persönlichkeit ins Englische!
Dass dem gemeinen Nica die englische Sprache nicht so sehr liegt, habe ich früh erfahren; ich hatte schon stark an meinem Englisch gezweifelt, bevor ich gemerkt habe, dass es hier kaum einen Unterschied zwischen spanischer und englischer Aussprache gibt – und das bereitet dem, der das Schulenglisch gewöhnt ist, große Schwierigkeiten. Aber nicht nur an der Aussprache harpert es: Grammatik ist nicht vorhanden, Vokabeln ebensowenig. Als ich das erste Mal gebeten wurde, bei der Übersetzung zu helfen, ging das so los: „El padre... was heißt ‚el’ auf englisch?“ Überhaupt wird nach jedem Wort gefragt – und das ist noch lange nicht alles.
Inzwischen habe ich mich darauf beschränkt, Wörterbücher zu verleihen, weil ich wenig Sinn darin sehe, die Texte Wort für Wort zu übersetzen und so nicht gerade dazu beizutragen, dass die Schüler etwas für den Englischunterricht lernen können. Zugegeben – das tun sie auch nicht, wenn sie jedes Wort nachschlagen. Aber: So lernen sie zumindest, ein Wörterbuch zu verwenden, denn auch das können die meiste nicht (oder: Ich habe noch keine Person gesehen, die es konnte!). Bietet dieses nämlich bei einem Wort mehrere Möglichkeiten (die bei aufmerksamem Lesen leicht zu unterscheiden sind) an, wird es kritisch. Auch die kursiv gedruckten Hinweise – Definitionen, Stilebene, Genus etc. – führen zu Verwirrung, können nicht zugeordnet werden.
Über mangelnde Englischkenntnisse und das Unvermögen, ein Wörterbuch zu benutzen, kann man ja hinwegsehen – Letzteres kann ja relativ einfach erlernt werden. Richtig desillusioniert war ich aber, als ich gemerkt habe, wie es mit den Spanischkenntnissen aussieht: Den Unterschied zwischen Vergangenheits- und Gegenwartsform kennen die wenigsten. („fueron“ ist eine Vergangheitsform von „ir“ (gehen) und „ser“ (sein); wenn das im Text steht und übersetzt werden soll, werde ich regelmäßg gefragt, was das soll, dass „fueron“ nicht im Wörterbuch zu finden ist – und ob es nun von gehen oder von sein kommt, kann in der Regel niemand erkennen, weil dazu der Kontext viel zu wichtig ist!) Es kommt auch vor, dass spanische Wörter im Text stehen, die die Schüler zwar brav abgeschrieben haben, aber nicht deuten können.
Klar: Das Problem sind nicht die Schüler, sondern die Lehrer. Dieses Argument ist auch in Deutschland oft zu hören, hier in Nicaragua stimmt es vermutlich sogar. Bald werde ich mal eine Schule besuchen, um mir den Englischunterricht anzusehen. Hoffentlich wird man mir meine innere Reaktion – welcher Art auch immer sie sein mag – nicht vom Gesicht ablesen können...
Schon vor meinem Einsatz wurde ich gewarnt, auf keinen Fall Englischnachhilfe anzubieten. Es sei erfolgflos. Das konnte ich zunächst nicht glauben – inzwischen weiß ich, wovon die Rede war und bin sogar schon so weit, in bestimmten Fällen zu sagen, dass die Schüler doch bitte mit dem Übersetzen aufhören sollen! Ohne die geringste Kenntnis von Vokabeln und Grammatik ist es die reinste Zeitverschwendung, Englischhausaufgaben zu machen. Allerdings ist es genauso schwierig, die Schüler von der unsinnigen Idee, unsinnige Hausaufgaben zu machen, abzubringen, wie ihnen dabei zu helfen. Ich halte mich also raus und schüttle nur freundlich mit dem Kopf, wenn ich gefragt werde, was „Rubén Darío“ auf englisch heißt.
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2 Kommentare:
hi simon!
das erste mal seit langem, dass ich auf deinem blog vorbei schaue- ich war ja wirklich überrascht. Total gut wie du das hinbekommst immer schön aktuell zu bleiben, nehm ich mir ab jetzt mal ein Beispiel. Wegen der Englischnachhilfe; hab ich auch schon gegenteilige Erfahrungen gemacht, also schreibs nicht gleic ganz ab.
Also dann,
bis Ende August in Managua
Sebastian
solange du dich abmühst, das vermeintliche Englisch der Nicas zu dechiffrieren, wird dir verborgen bleiben, dass es sich hierbei in Wahrheit um Niclish handelt, die Sprache des Güegüense des 21.Jahrhunderts, mit dem es ihm wieder einmal terfflich gelingt die fremden Eindringlinge zu verwirren und sich seine Freiheit zu bewahren. Versuche nicht den Güegüense zu verwirren, er fällt nicht darauf herein!
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